Schweizer Buchhandels- und
Verlags-Verband SBVV

Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 39/2021 vom 14. Oktober 2021

3. Literatur-Nobelpreis
3. Die Presse ist not amused

Dass die Schwedische Akademie Abdulrazak Gurnah zum diesjährigen Träger des Literatur-Nobelpreises erkoren hat, sorgte landauf, landab für ungläubiges Staunen – auch bei der deutschsprachigen Presse. Während der Blick lediglich seine Überraschung zur Wahl kundtat, raschelte es im restlichen Blätterwald gehörig.

Der Tages-Anzeiger wählte seine Worte mit Bedacht und sprach von einer politischen Entscheidung. Die bestimmenden Themen in den Werken des Autors seien Migration und die Nachwirkungen des Kolonialismus. Und genau dafür sei Abdulrazak Gurnah von der Akademie auch gewürdigt worden – für seine «kompromisslose und einfühlsame Durchdringung der Effekte des Kolonialismus und des Schicksals der Flüchtlinge in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinenten». Der Tages-Anzeiger schreibt: «Nach Jahren, in denen sich das Komitee dem Zeitgeist dezidiert widersetzt hat, indem es etwa den politisch nicht zu bändigenden Peter Handke und die in sich gekehrte Poesie Louise Glücks auszeichnete, trifft diese Entscheidung den Zeitgeist.» Zwischen den Zeilen liest man aber durchaus subtile kritische Töne heraus.

Die Neue Zürcher Zeitung wird deutlicher: «Mit ihren angestrengt unkonventionellen Entscheidungen beweist das Nobelkomitee die eigene Provinzialität.» Der Themenschwerpunkt des Autors mache ihn in Zeiten grosser Flüchtlingsströme als Aushängeschild einer um Aufgeschlossenheit bemühten Akademie attraktiv. Die Zeitung stört sich auch daran, dass Abdulrazak Gurnah vielen unbekannt ist. «Gegen den in Sansibar geborenen und in England lebenden Abdulrazak Gurnah als Nobelpreisträger ist nichts einzuwenden – ausser: Die meisten hören heute zum ersten Mal seinen Namen», heisst es. Und die Zeitung bemängelt, dass die Werke des Autors offenbar nur schwer zu kriegen sind: «Zwei Bücher sind ins Schwedische übersetzt worden; fünf seiner zehn Romane sind auf Deutsch erschienen, der letzte 2006, und keiner ist lieferbar.»

Für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» ist Abdulrazak Gurnah eine «seltsame Wahl». Sie fragt sich, ob die Entscheidung für den Preisträger selbst gut ist. Und antwortet gleich selbst mit Ja und Nein: «Ja, wenn man den Nobelpreis als wohl einzig ernstzunehmende Honorierung für Weltliteratur im geografischen Sinne begreift. Dann konnte es mit der stark westzentrierten Auswahl der Preisträger nicht mehr weitergehen. Allein aus dem englischen Sprachraum kamen vier der letzten zehn Gewinner, und mit Mo Yan aus China war nur ein Autor dabei, der nicht aus Europa oder den Vereinigten Staaten kam. Nein, wenn man den Nobelpreis auch als Gradmesser für literarischen Einfluss sehen will – wie es die Akademie tut, wenn man ihren Begründungen glauben darf, etwa im Falle der umstrittenen Entscheidungen für Bob Dylan und Peter Handke. Dann ist Abdulrazak Gurnah eine seltsame Wahl. Zudem wieder ein englischsprachiger Schriftsteller.»

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