Schweizer Buchhandels- und
Verlags-Verband SBVV

Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 27/2019 vom 04. Juli 2019

7. 3 Fragen an ...
7. Mia Couto

Mia Couto gehört zu den herausragenden Schriftstellern des portugiesischsprachigen Afrika. Mehrere Jahre war er als Journalist und Chefredakteur tätig, seit 1983 veröffentlicht er Literatur. Sein neuer Roman "Imani" spielt im Gaza-Reich des späten 19. Jahrhunderts und führt tief hinein in die afrikanische Geschichte. Erneut stehen starke Frauen in einer von Männern geprägten Welt im Zentrum des Geschehens. Mia Couto liest im Rahmen des Openair Literatur-Festivals Zürich am Dienstag, 9. Juli um 20.30 Uhr im Alten Botanischen Garten aus "Imani". Veranstalter sind das Literaturhaus Zürich und das Kaufleuten, Tickets und Informationen finden Sie hier.

Vor drei Wochen fand der grösste Frauenstreik in der Geschichte der Schweiz statt - Ihre Lesung aus "Imani" trifft also den Nerv der Zeit. Was ist der Grund dafür, dass in Ihren Büchern die Rechte der Frauen oft im Zentrum stehen? 
Ich habe nie eine zum Voraus die Absicht, ein Buch über ein bestimmtes Thema zu schreiben. Ich schreibe eine Geschichte. Diese Geschichte gründet sich auf Personen, die mich im Lauf des Aufbaus der Erzählung darüber aufklären, was geschehen wird. Erst wenn ich schon fast fertig bin, weiss ich, wie das Buch aufhören wird. Was mir gefällt, ist genau dieser Überraschungseffekt und dieses allmähliche Offenlegen. Wenn das Werk schon vorher geplant und entworfen wäre, hätte ich keine Lust mehr, es zu schreiben. Klar kommen im Lauf dieses Prozesses meine Ideen über die Welt zum Ausdruck. Aber das muss immer durch eine Anregung geschehen und im Wissen, dass ich Kunst mache und nicht einen Essay oder ein Pamphlet schreibe. Ich habe tatsächlich auch schon Aufsätze und Interventionstexte über die Stellung der Frau in meinem Land und in der Welt geschrieben. Als Bürger beschäftigt und besorgt mich das Thema der Freiheit und der Rechte der Frau. Es ist unmöglich, sich distanziert oder gleichgültig zu verhalten gegenüber diesem Kampf, der nicht nur ein Kampf der Frauen ist, sondern von uns allen. Aber als Schriftsteller muss ich diese Themen so behandeln, dass Kunst entsteht.

Sie sagen von sich, dass Sie ein "schreibender Biologe" sind (und nicht ein Schriftsteller, der auch Biologe ist). Wird Ihr Vortrag vom Ort, an dem er stattfindet – dem Botanischen Garten – beeinflusst werden und ist dieser Anlass für Sie etwas Besonderes?
Was ich gelernt habe, in der Biologie und beim Bücherschreiben, ist, dass es keine reinen, essentiellen Wesen gibt. Es gibt keinen rein botanischen Garten, so wie es auch keine Naturordnung gibt, die ausserhalb von uns Menschen existiert. In den afrikanischen Sprachen Moçambiques gibt es kein Wort für "Natur" oder "Umwelt". Das ist kein Mangel. Es übersetzt nur eine andere Art, die Welt zu verstehen ohne sie so einzuteilen wie es die Philosophien lehren, die in Europa entstanden sind. In den Geschichten, die ich in meiner Kindheit gehört habe, hatten die Flüsse, die Berge und die Tiere immer eine Seele. Sie waren nie nur ein Bühnenbild. Sie waren Personen und in diesen Erzählungen verstanden wir die Sprache dieser "andern". Ich sehe darum keinen Grund für diese so übliche Frage wie ich die Biologie von der Literatur trenne. Die Frage müsste anderes lauten: Wieso werden diese Dinge so stark getrennt.

Gibt es Schriftsteller, die Ihre Arbeit beeinflussen? Und, ganz generell gefragt, kann man mehr von Menschen oder von der Natur lernen?
Einen Teil der Antwort habe ich schon gegeben. Die Personen sind Natur, oder wenigstens ein Teil von ihr. Juan Rulfo, João Guimarães Rosa und Fernando Pessoa waren einige der Autoren die mich geprägt haben durch die gewagte und innovative Art, wie sie die Sprache, die Ausdrucksweise und die Erzählmuster behandeln. Ich glaube, dass man aus allem lernen kann, von allen, immer. Ich habe Vorlesungen an der Architekturfakultät gegeben und mein wichtigstes Ziel war nicht, den jungen Menschen Wissen zu vermitteln, sondern eine Sensibilität zu schaffen. Ein neuer und weniger selbstbezogener Blick auf die Bäume (und die Bäume sind nur ein Beispiel) erlaubt es, zu verstehen, dass die Natur die älteste der Architektinnen ist. Es gibt eine Beziehung zwischen Form, Farbe, Funktion und Struktur, die präsent ist, aber die wir nicht zu sehen verstehen. Das Gleiche kann angewendet werden auf die Art, wie man die von Afrikanern geschaffenen Philosophien anschaut, die lebendig sind und vorherrschend in allen heutigen afrikanischen Ländern. Das grosse Problem ist, dass die Afrikaner selber gelernt haben, diese Kenntnisse abzuwerten.

Die Übersetzung von Mia Coutos Antworten hat Elisa Fuchs übernommen - vielen herzlichen Dank dafür.

Weitere Themen:

1. Branchenmonitor Buch Schweiz
1. Minus im Juni, Plus im Halbjahr

2. Update in Sachen KNV
2. Ausgleichsfonds für kleine Verlage

3. Verkaufen am Samstag erlaubt
3. Frankfurter Buchmesse ändert die Regeln

4. Schweizer Novitäten im nächsten SBH
4. Bitte melden Sie uns Herbst-Titel noch heute

5. Diplomfeiern in Bern und Winterthur
5. Herzlichen Glückwunsch an 48 neue Buchhändlerinnen und Buchhändler

6. Neuer Chef bei der Orell Füssli Holding
6. Daniel Link folgt auf Martin Buyle

8. Lyrik-Ausstellung im Strauhof
8. Gedicht Gesicht

9. In eigener Sache
9. Erzählen Sie uns eine Anekdote

10. Gratis-Eintritte für die Ornaris
10. SBVV-Mitglieder können sich für die Detailhandel-Messe akkreditieren

11. Diverses
11. Festivals // Büchergilde Gutenberg // Bachmann-Preis // Keine digitale Bücher mehr bei Microsoft // Preis für Frida Nilsson

12. Bücher in den Medien
12. 

Mia Coutu.
Bild: Alfredo Cunha

Top