Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 21/2020 vom 28. Mai 2020
3. Reisebuchhandlung, Verlagsvertreter-Reise, literarische Reisen
3. Von Reisebüchern und Bücherreisen
Die Warengruppe Reisen verzeichnete im Lockdown – naturgemäss – die stärksten Einbrüche. Wir fragten bei sehr direkt betroffenen Branchenteilnehmern nach, was sie in dieser Zeit erlebt haben ... und wie die Reise weitergeht.
Joe Fuchs, Verlagsvertreter und Buchhändler in Einsiedeln
In meiner Tasche als Verlagsvertreter befinden sich grosse Reisebuch-Verlage wie Polyglott, Merian und Michael Müller. In meiner Buchhandlung Benziger in Einsiedeln führe ich zudem ein grosses Sortiment an Reiseliteratur. Viele Reisebuchverlage haben ihre Produktion um zwei Monate nach hinten verschoben; Merian, der diesen Frühling mit 20 Titeln einer neuen Reihe auf den Markt kommen wollte, hat diese von März auf den Mai verlegt. Die Reihe legt einen Schwerpunkt auf Kunst und Kultur, der Ton ist literarisch, und viele Destinationen sind mit dem Auto erreichbar, ich hege also grosse Hoffnung, dass die Reihe trotzdem gut startet. Der Holiday-Merian Verlag bringt auf 1. Juli den Titel "Wo die Schweiz am schönsten ist" heraus, das ist natürlich ebenfalls Reiseliteratur der Stunde für unsere Buchhandlungen. Ich merke zudem, dass Reiseberichte und Reiseerzählungen stärker gefragt werden, ein Trend, den es seit ein paar Jahren gibt und der sich jetzt noch verstärkt, zum Beispiel "Der Esel steht. Reiseabenteuer mit einem Esel" oder "Andere Länder – andere Bärte" mit einem Nomad Barber auf Weltreise. In der Buchhandlung Benziger bewegen wir uns jetzt im Mai beinahe auf Vorjahresniveau mit den Zahlen. Die Pilger sind noch nicht da, aber die Touristen und Stammkunden kommen beim schönen Frühlingswetter wieder, und sie kaufen sehr gut ein. Wie die meisten Buchhändlerinnen und Buchhändler, habe ich die Zeit des Lockdowns mit Lieferdienst überbrückt. Erst jetzt kann ich wirklich behauten, dass ich Einsiedeln wie meine Hosentasche kenne. Und die Reisen als Verlagsvertreter? Ich habe kaum Absagen erhalten. Mir scheint, die Buchhändlerinnen und Buchhändler freuen sich auf meinen Besuch und den Erfahrungsaustausch. Es gibt ja auch viel zu erzählen. Und zu guter Letzt: Wenn die Menschen weniger Geld für weite Reisen ausgeben, werden sie vielleicht mehr Geld für schöne Bücher ausgeben wollen.
Regula Tanner, Inhaberin Das Leseglück in Steffisburg
Vor ein paar Jahren fragte mich das Reiseunternehmen der städtischen Verkehrsbetriebe in Thun (heute "Oberland Reisen"), ob ich eine literarische Busreise mitorganisieren möchte. Ich war begeistert und schlug eine Alpenkrimireise vor. Mit gut 30 Krimifans fuhren wir zwei Tage ins Allgäu; ich stellte im Bus Kriminalromane vor, und Nicola Förg gab im Hotel eine Lesung. Mittlerweile haben wir bereits fünf Krimireisen durchgeführt und jedes Mal 60 bis 70 Gäste. Seit letztem Jahr bieten wir auch im Frühling eine literarische Reise an, heuer war eine Fahrt an den Gardasee mit Stationen beim Hesse-Museum und in der Quirinischen Bibliothek in Brescia geplant. Wegen der Coronakrise mussten wir die Reise verschieben. Wir sind guter Dinge, dass es im nächsten Frühling klappt. Was bleibt einem anders übrig, als das Beste aus der momentanen Situation zu machen? Während des Lockdowns gab es im Leseglück ein Bücher-Take-away. Die Kundschaft konnte mir bis Freitagmittag per Mail oder SMS ihre Vorlieben mitteilen, und ich stellte am Samstag eine Tasche mit passenden Secondhand-Büchern zum Abholen bereit. Es funktionierte erfreulich gut!
Regula Weber, Inhaberin Travel Book Shop in Zürich
"Bei uns haben wir bereits im Februar sinkende Umsätze festgestellt, im März sind sie nochmals zurückgegangen. Als der Lockdown kam, haben wir dann sofort mit einem Newsletter unter dem Motto "Sofareisen" reagiert, darauf folgten zahlreiche Sympathiebestellungen. Reisebücher und Landkarten, die beiden Schwerpunkte unserer Spezialbuchhandlung, sind bekanntlich am stärksten eingebrochen, weil die Menschen gar nicht mehr verreisen konnten. Es hat uns doppelt getroffen. Von 90 Prozent Rückgang, wie mancherorts die Rede ist, würde ich allerdings nicht ausgehen. Wir hatten im März und im Mai noch etwa 30 Prozent vom üblichen Umsatz, im April noch weniger. Die genauen Zahlen stehen noch aus. Den Kopf lassen wir trotzdem nicht hängen. Die moralische Unterstützung der letzten Monate hat wirklich geholfen. Die Nothilfe vom Verband, die Möglichkeit für Kurzarbeit, die Rückmeldungen der Kundschaft auf unsere Newsletter, das hat uns alles gestärkt. Und unser Paketkurier kam bei den Leuten sehr gut an, das damit verbundene Einsparen von Portokosten hat ebenfalls entlastet. Die Kundinnen und Kunden haben auch ganz andere Bücher bei uns bestellt als Reisebücher, vor allem Bildbände und Belletristik, diese Solidarität war berührend. Seit dem 10. Mai haben wir nun wieder reduziert offen, von 11 bis 14 Uhr. Es kommen allerdings noch kaum Kundinnen und Kunden in den Laden. "Das Gute liegt so nah" ist nun das Thema unserer Reise-Buchempfehlungen, wir setzen im Mai natürlich voll auf das Reiseland Schweiz. Der Newsletter dazu hat total eingeschlagen, es gab Tage mit 30 Paketen. Auch etwas ältere Backlisttitel wie "Urlandschaften der Schweiz" sind sehr gefragt. Eine Prognose würde ich nicht wagen. Alles ändert sich ständig. Aber unsere neue Homepage, die wir am 10. Februar aufgeschaltet haben, wird immer wichtiger werden. Wir gehören zu den Testgruppen des neuen Warenwirtschaftssystems von bpm. Das ermöglicht auch Perspektiven für die Weiterentwicklung unseres Geschäfts.
Lydia Zimmer, Geschäftsführerin Literaturecho in Basel
Bei mir ist alles soweit im grünen Bereich, es könnte natürlich besser sein. Im letzten Newsletter schrieb ich einen kleinen Kommentar zur Lage: Wir sind gesund. Kein Umsatz. Ausgebremst mit öffentlichen Anlässen bis Sommer. Literaturecho weiterhin existent. Wir arbeiten voll. Gehen online, zum Beispiel mit dem Bücherplausch und "Die Welt lesen. Der Buchclub". Planen den Herbst und 2021. Üben Geduld – und bewahren Humor. Das trifft es immer noch. Es braucht Humor und Kampfgeist. Es ist nicht einfach. Aber die Zeiten sind auch kreative! Reisen ist im Moment völlig unmöglich (auch nicht zu verkaufen), vielleicht später mit Nachholbedarf?!? Mal sehen!
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