Schweizer Buchhandels- und
Verlags-Verband SBVV

Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 48/2025 vom 18. Dezember 2025

1. Fünf Fragen an Dagmar Jenni
1. «Ich freue mich auf mehr Freiraum»

Zehn Jahre lang war Dagmar Jenni, 57, Direktorin der Swiss Retail Federation, bei der auch der SBVV Mitglied ist. Nächsten Frühling übergibt sie das Steuer an ihren Nachfolger Patrick Erny.

Die Swiss Retail Federation hat unter Ihrer Leitung politisch erheblich an Gewicht gewonnen. Was waren aus Ihrer Sicht die grössten Meilensteine?
Dagmar Jenni:
Die vor zehn Jahren aufgegleiste neue strategische Ausrichtung war der Grundpfeiler. Wir definierten vier politische Schwerpunktthemen, darunter gleich lange Spiesse für alle Anbieter, die sich auf dem Schweizer Markt tummeln; sei es der stationäre Händler, Onliner oder Plattformen. Zudem führen wir einen ziemlich erfolgreichen Dauerkampf, um Regulierungen zu verhindern. Das ist ein undankbarer Job, weil er kaum wahrgenommen wird. Diese präventive Arbeit ist aber enorm wichtig und ein Dauerbrenner für uns. Wir konnten in den letzten Jahren viele unnötige oder nicht durchdachte Regulierungen verhindern, wie zum Beispiel Vorstösse, die darauf ausgerichtet waren, spezielle Deklarationsvorgaben nur für die Schweiz zu fordern. Solche Begehren verteuern die Produkte in der Schweiz – dies notabene in einem Umfeld, wo wir sowieso schon mit höhren Kosten als unsere Mitbewerber im Ausland zu kämpfen haben. Ein weiteres Beispiel für den regulativen Administrationsabbau war die Reduktion von Vorgaben, wie und wann der Detailhandel Artikel rabattieren darf. Ein grosses Gewicht hatten wir auch während der Covid-19-Pandemie. Das war eine sehr intensive Zeit. Hier konnten wir für den Detailhandel gute Bedingungen aushandeln – zum Beispiel, dass die Läden während des Weihnachtsgeschäfts nicht schliessen mussten. Das war ein grosser Meilenstein. Die Zusammenarbeit mit den Behörden war kooperativ, und wir brachten Lösungen auf den Tisch. Darüber hinaus gab der Verband in den letzten Jahren viele Studien in Auftrag, aufgrund derer unsere Mitglieder etwa ihr Business vorausschauend ausrichten konnten.

Welche Herausforderungen sieht der Detailhandel in den kommenden Jahren auf sich zukommen?
Der Preis- und Margendruck akzentuierte sich in den letzten Jahren und wird sich in Zukunft noch verstärken. Das geht einher mit der verhaltenen Konsumentenstimmung und der zunehmenden Preissensibilität. Neue Anbieter, die auf den Markt drängen – vor allem ausländische Plattformen –, werden zu einer weiteren Konsolidierungswelle im Detailhandel führen, die wir nicht unterschätzen dürfen. Denn aufgrund der Kostenstrukturen in der Schweiz können wir da preistechnisch einfach nicht mithalten. Das wird wahrscheinlich dazu führen, dass der eine oder andere Detailhändler vom Markt verschwindet und die Ladendichte abnimmt. Ausserdem werden viele vermehrt auf andere Prädikate als den Preis setzen müssen, zum Beispiel auf die Beratung. Man wird sich kritisch damit auseinandersetzen müssen, welchen Mehrwert man bieten kann, damit Kundschaft in den Laden kommt und auch etwas kauft.

Wo sehen Sie für den Buchhandel künftig die grössten Chancen?
Es sticht heraus, dass die Beratungskomponente einen sehr hohen Stellenwert hat. Es ist guter Service, dass in dieser Branche Lesebegeisterte arbeiten, welche die Kundschaft an die Hand nehmen können. Genau auf diese Beratungskompetenz hat man im Buchhandel in den letzten Jahren gesetzt – und das sollte man auch in Zukunft tun. Ebenfalls wichtig bleibt das Ambiente, damit sich die Kundschaft in der Buchhandlung wohl und aufgehoben fühlt. Buchhandlungen sind mehr als Verkaufsstellen für Bücher. Das Sortiment umfasst auch Non-Books wie Papeterie- oder Geschenkartikel. Ein gut kuratiertes Zusatz-Angebot bleibt wichtig – und es zusammenzustellen ist eine Kunst, die viele im Buchhandel beherrschen.

Sie wollen sich künftig auf nicht-exekutive Aufgaben konzentrieren. Worauf freuen Sie sich besonders?
Bei einer Genossenschaft bin ich bereits im Verwaltungsrat, und diese rein strategische Aufgabe entspricht sehr meinen Fähigkeiten. Auf meine künftigen Mandate freue ich mich, aber auch darauf, die Last der Exekutiv-Aufgaben ablegen zu können. Im Rahmen von nicht-exekutiven Mandaten kann ich beratend tätig sein, und ich muss mich nicht mehr um das Tagesgeschäft kümmern.

Worauf freuen Sie sich privat?
Auf mehr Freiraum. Ich hatte in den letzten drei Jahrzehnten zum Beispiel nie mehr als zwei Wochen Ferien am Stück – geschweige denn ein Sabbatical. Mal ein paar Wochen am Stück Zeit für eine Safari zu haben, wäre toll. Ausserdem interessiert mich Kunstgeschichte. Endlich habe ich einmal Zeit, eine entsprechende Vorlesung zu besuchen – ohne den Druck, danach eine Prüfung darüber ablegen zu müssen. Ich tanze auch gern und hoffe, dass ich das in Zukunft mehr als nur einmal pro Woche machen kann. Interessen wie diese stellte ich lang zurück.


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Dagmar Jenni, Direktorin von Swiss Retail Federation. Foto: zVg

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