Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 11/2025 vom 20. März 2025
1. Zum Tod von Peter Bichsel
1. Texte von Peter Bichsel bei Kampa, Knapp und dem gesunden Menschenversand
Peter Bichsel, geboren am 24. März 1935 in Luzern, starb am 15. März 2025 in Zuchwil. Michael Luisier schreibt in seinem Nachruf auf SRF: «Er hinterlässt eine riesige Lücke, nicht nur in Solothurn und dem dortigen Restaurant ‹Kreuz›, wo man ihn oft antreffen konnte, sondern auch in der ganzen Schweiz. Denn die hat ja nicht nur ihren beliebtesten Schriftsteller verloren, sondern auch ihren renommiertesten.»
Unser kleiner Rückblick geht entlang dreier Bichsel-Werke aus Schweizer Verlagen:
Das Buch «Was wäre, wenn», ein Gespräch von Peter Bichsel mit Sieglinde Geisel, erschien 2018 bei Kampa im Jahr der Gründung des Verlags. Daniel Kampa, wollten Sie Peter Bichsel fast wie ein literarischer Schutzpatron im ersten Programm haben?
Daniel Kampa: Im allerersten Programm meines neu gegründeten Verlags ein Buch von Peter Bichsel zu haben, war natürlich eine grosse Ehre. Das Buch wurde in der Schweiz sofort ein Bestseller und gehört bis heute zu den meistverkauften Bänden der Gesprächsreihe SALON, in der inzwischen knapp vierzig Titel erschienen sind. «Was wäre, wenn» ist wie ein Vermächtnis, denn es ist im eigentlichen Sinne Peter Bichsels letztes Buch. In den Gesprächen mit Sieglinde Geisel offenbart sich der Bichsel, wie er in Erinnerung bleiben wird: voller Geschichten und Anekdoten, voller bodenständiger Weisheit und mit feinster Ironie. Peter Bichsel war jemand, der über die grössten Themen mit schwebender Leichtigkeit nachdenken und erzählen konnte.
Gern erinnere ich mich an die beiden Buchpremieren in Zürich, beide ausverkauft. Peter Bichsel verzauberte und unterhielt das Publikum, signierte nach den Lesungen geduldig stundenlang, hatte für jeden Fan Zeit, trank seinen Rotwein, und dann sagte er zu mir: «Ich bekomme doch fünfzehn Belegexemplare. Kann ich die gleich mitnehmen? Dann sparen wir das Porto.» Er hatte einen Rucksack mitgebracht. Ich wollte ihm das ausreden, per Post sei es doch einfacher, er war immerhin dreiundachtzig Jahre alt und hatte eine anstrengende Veranstaltung hinter sich. Aber er war nicht von seinem Vorhaben abzubringen. Und er blieb auch nicht über Nacht bei seiner Tochter in Zürich, sondern nahm den allerletzten Zug zurück nach Bellach. Mit Mühe konnten wir ihn überreden, zumindest ein Taxi zum Bahnhof zu nehmen. Was für eine Bescheidenheit!
Aber auch was für ein Adlerauge! Als ich ihm das erste Exemplar von «Was wäre, wenn» überreichte, meinte er ironisch: «Wenn man das allererste Exemplar eines Buchs irgendwo aufschlägt, findet man doch immer auf Anhieb einen Fehler.» Er schlug den Band aufs Geratewohl auf – und fand in der Tat einen Fehler. Ich hätte vor Scham im Boden versinken können, aber er klopfte mir auf die Schulter, prostete mir mit seinem Weinglas zu und sagte lachend: «Das ist der Beweis, das mit dem Buch alles stimmt.»
Das Buch «Das Schaukelpferd in Bichsels Garten» aus dem Knapp-Verlag enthält vier exklusive Geschichten von Peter Bichsel zu seiner Kindheit in Olten. Thomas Knapp, wie gut kannten Sie als Verleger des grössten Solothurner Verlags eigentlich Peter Bichsel, der ja vor allem bei Suhrkamp und Luchterhand seine verlegerische Heimat hatte?
Thomas Knapp: Die vier Geschichten in «Das Schaukelpferd in Bichsels Garten» hat Peter Bichsel für den Oltner Schriftstellerweg geschrieben und in Olten bei Roman Wyss, Ex-Stiller-Has, eingelesen. So ist seine Stimme auf dem Schriftstellerweg weiterhin zu hören – zum Beispiel hier: Bifangschulhaus. Zuvor wollte er natürlich über das Projekt informiert werden. Peter kannte ich schon lang, bei ihm macht man das nicht per Brief oder am Telefon. Also sind wir – auch Oltens Tourismuschef Stefan Ulrich war dabei – im «Kreuz» in Solothurn einen Nachmittag lang zusammengesessen. Übers Projekt haben wir nur wenige Minuten gesprochen …
Peter kam im Alter von sechs Jahren von Luzern nach Olten, weil sein Vater bei der Eisenbahn eine neue Stelle angeboten erhielt. In Peters Erinnerung stand da im kleinen Einfamilienhaus am Pfarrweg ein rotes Schaukelpferd. Das gab dem Buch den Namen. Peter sagte mir mal, in Luzern sei er ein Solothurner, in Solothurn sei er ein Oltner und in Olten ein Luzerner. Wenn wir uns sahen, haben wir über vieles gesprochen, nur nicht über den Verlag oder über die Schriftstellerei. Peter hat sich selber nie wichtig genommen. Für mich und für viele andere aber ist er als Mensch und als Schriftsteller wichtig gewesen. Das schmale Bändchen «Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen» steht signiert bei mir Bücherregal. 1964 erschien es im damals renommierten Walter-Verlag in Olten, damit schaffte er den Durchbruch. Im Dezember habe ich das letzte Mal mit Peter telefoniert. Für das Büchlein zu unserem 20-Jahr Verlagsjubiläum, «Lieblinge lesen», bat ich ihn um einen Text. Zu einem gemütlichen Treffen ist es leider nicht mehr gekommen.
Im Luzerner Verlag Der gesunde Menschenversand von Matthias Burki gibt es eine Doppel-CD mit transibirischen Geschichten, von Peter Bichsel selber vorgetragen. Es gibt – nebst dem Oltner Schriftstellerweg – nicht viele Möglichkeiten, Peter Bichsel zuzuhören. Ist es die einzige Audio-Produktion auf dem Markt? Wie kam es dazu? Kannten Sie ihn?
Matthias Burki: Früher gabs es auch LPs und andere CDs, vor allem der Kindergeschichten. Aktuell sind «Transibirische Geschichten» vielleicht die einzig greifbare Audio-Produktion, ganz sicher bin ich aber nicht. Die Idee zur Doppel-CD stammte von Beat Mazenauer; herausgegeben haben wir sie zu dritt: Er, Daniel Rothenbühler und ich. Peter Bichsel hat diese Geschichten über Jahrzehnte an Lesungen vorgetragen, wollte sie aber nie in Buchform veröffentlichen, weil er sie als Hörstücke sah. Für eine CD konnten wir ihn dann gewinnen, als Live-Aufnahmen im Kleintheater Luzern und im Chrämerhuus Langenthal. Zur Vorbereitung des Projekts und danach ab und zu an den Solothurner Literaturtagen habe ich ihn getroffen. Er war sehr zugeneigt und interessiert – und mitleidend mit einem Kleinverlag ;-)
Von einer solchen Bichsel-Lesung «aus Sibirien», in einem kalten Atelier in Biel vorgetragen, erzählt Julia Weber in einem Brief an Peter Bichsel – nebst Abschiedsbriefen von Usama Al Shamani, Nora Gomringer, Lukas Bärfuss auf «Mensch, Bichsel – du fehlst», SRF.
Weitere Themen:
2. SBVV/Syndicom
2. Lohnverhandlungen abgeschlossen
3. SBVV/Session
3. Motion gutgeheissen: Besserer Schutz des geistigen Eigentums vor KI-Missbrauch
4. Stans
4. Antiquariat von Matt: Eine Ära geht zu Ende
5. Orell Füssli
5. Umsatz- und Gewinnsteigerung 2024
7. Jubiläum
7. «Buchstabensuppe» für 20 Jahre Knapp
8. Lieblingsbuch
8. Welcher Titel soll es werden?
9. 47. Solothurner Litertaturtage
9. Namen bekannt gegeben
10. NDR-Sachbuchpreis
10. Jetzt Bücher einreichen
11. Deutscher Hörbuchpreis
11. Sechs Hörbücher und ein Podcast
12. Kranichsteiner Stipendien
12. Zwei Autorinnen und zwei Autoren fördern