Schweizer Buchhandels- und
Verlags-Verband SBVV

Newsletter Schweizer Buchhandel
Ausgabe 14/2020 vom 09. April 2020

5. Schweizer Verlage in der Corona-Krise
5. Ausnahmesituation pur: Neue Gefässe, kreative Lösungen, einbrechende Umsätze

Im letzten SBVV-Newsletter berichteten wir über die Aktivitäten der unabhängigen Buchhandlungen. Diese Woche fragen wir bei (zufällig ausgewählten) Schweizer Verlagen nach: Welche Massnahmen wurden ergriffen im Lockdown? Welche Auswirkungen zeichnen sich ab fürs Frühlingsprogramm? Gibt es Abläufe und Gewohnheiten, die sich möglicherweise langfristig verändern werden?

Urs Hunziker, AT Verlag: Wir haben unsere digitalen Aktivitäten von Home Office aus intensiviert: Erweiterung Website, häufigere Newsletter, intensivere Präsenz auf Social Media. Der Umsatzverlust ist bis jetzt noch nicht so dramatisch wie befürchtet. Es sieht aber so aus, als ob es die Titel, die Ende März und später erscheinen, sich schwer durchsetzen können. Wir werden diese in unserer Herbstvorschau nochmals speziell hervorheben. Wir haben trotzdem beschlossen, alle Titel normal auszuliefern, da sie ja digital bestellt werden können. Es werden sich gewisse Abläufe verändern, weil wir alle nach dieser Erfahrung nicht mehr dieselben sein werden wie zuvor. Interessanterweise sind wir durch die räumliche Distanz eher näher gerückt und wir sind uns bewusster, was wir aneinander haben. Die Kommunikation funktioniert erstaunlich gut, da sich jetzt alle um bessere Kommunikation bemühen.

Oliver Bolanz, Christoph Merian Verlag: Die erst kürzlich ausgelieferten Publikationen haben es besonders schwer. Wir versuchen mit engagierter Pressearbeit und Online-Werbung Aufmerksamkeit zu generieren. Zur Stärkung auch des lokalen Buchhandels haben wir den "SBVV-Hamster" mit dem buy local-Aufruf auf unserer Facebook-Seite gepostet und eine Aufzählung mit den für unseren Regionalia-Programmbereich besonders wichtigen lokalen Buchhandlungen in der Region Basel beworben. Der Post wurde von 45’000 Leuten gelesen und über 200mal geteilt. Wir stellen ausserdem auf unseren Social-Media-Kanälen jeweils ein Buch im "virtuellen Schaufenster" vor. Der Umsatz wird leiden und das wird auch nicht wieder aufgeholt werden. Mit Sorge denkt man auch an die weiteren Monate: Selbst wenn die Läden wieder aufmachen, wird die Frequenz in den Geschäften sicherlich deutlich geringer sein als in der Vor-Corona-Zeit.

Ruth Geiger, Leitung Presseabteilung und Mitglied Geschäftsleitung Diogenes Verlag: Da wir schon vorgängig die Voraussetzungen zur digitalen Zusammenarbeit hatten, konnten sich unsere unglaublich flexiblen Mitarbeiter*innen innert kürzester Zeit im Home Office einrichten. Die Auflagenhöhe der geplanten Titel überprüfen wir laufend und passen sie gegebenenfalls an. Auch Verschiebungen in das Herbstprogramm ziehen wir in Erwägung, aber es ist uns auch wichtig, dem Buchhandel jetzt umsatzstarke Titel zur Verfügung stellen zu können, wie die neuen Krimis von Martin Walker oder Donna Leon. Bei #DiogenesAtHome sind einige unserer Autor*innen virtuell live zu erleben. Natürlich werden wir wie alle einen deutlichen Umsatzrückganz spüren. Das ganze Ausmass der Corona-Krise auf das Frühjahrsprogramm wird sich erst zu einem späteren Zeitpunkt beziffern lassen. Erkenntnisse zum digitalen Zusammenarbeiten werden den Arbeitsalltag auch später bereichern, ebenso die Lust von Autor*innen an Aktionen auf Sozialen Medien. Die schönste Bestätigung ist aber nach wie vor, dass unser Team auch in schwierigen Zeiten super funktioniert, ohne die Zuversicht und die Liebe zu den Büchern zu verlieren.

Manuel Schär, hep Verlag: Wir arbeiten seit einem knappen Monat fast alle zu Hause. Unsere Abläufe bilden wir seit längerem digital ab, weshalb die Umstellung keine grösseren Probleme nach sich zog – auch wenn der persönliche Austausch natürlich fehlt. Für uns als Bildungsverlag war die Schliessung der Schulen ein einschneidendes Ereignis, seither hat die Nachfrage nach digitalen Inhalten und nach Unterstützung für den Fernunterricht stark zugenommen. Unser Frühjahresprogramm im Bereich Fach- und Sachbuch publizieren wir wie vorgesehen, auch für den Herbst sehen wir von grösseren Abstrichen ab. Verhalten zuversichtlich sind wir für den Lernmedienbereich. Einerseits haben wir neue digitale Angebote im Programm, die auch nach der Krise vermehrt eingesetzt werden dürften. Andererseits gehen wir davon aus, dass sich die Situation an den Schulen und Bildungsinstitutionen bis im Sommer zumindest teilweise normalisieren wird und gutes Unterrichtsmaterial weiterhin gefragt sein wird.

Bruno Meier, Hier & Jetzt Verlag: Wie alle andern arbeiten die meisten im Homeoffice, in den Büros haben wir eine minimale Präsenz für den täglichen Kram. Arbeit haben wir mehr als genug, schliesslich gilt es das Herbstprogramm vorzubereiten, in der guten Hoffnung auf einen überschäumenden Bücherherbst. Und Ende Mai steht unser Umzug nach Zürich bevor. Die Verkaufsumsätze sind natürlich im Keller. Hut ab vor den vielen Buchhändlerinnen und Buchhändlern, die am Päckli schnüren sind. Wir kommen hoffentlich mit einem blauen Auge davon, als unsere wichtigen Buchhandelstitel im Frühling erst kommen und wir natürlich hoffen, dass im Mai die Läden wieder offen sind. Aber Bremsspuren wird es geben. Was bleibt uns anderes, als optimistisch zu sein.

Tom Forrer, Lenos Verlag: Wir haben die Pensen reduziert, das halbe Team arbeitet im Homeoffice. Gleichzeitig machen wir mehr Onlinemarketing und haben unsere Präsenz auf Social Media ausgebaut. Wir motivieren die Kundschaft mit #lesenstattreisen und #supportyourlocalbookstore zum Lesen und zum Onlinekauf bei den lokalen Buchhandlungen. Welche Auswirkungen die Ausnahmesituation haben wird, ist im Moment noch schwer zu sagen. Offenbar läuft der Versandhandel in den Buchhandlungen ja ganz ordentlich. Wir sind sehr froh um all die kreativen Lieferangebote der Buchhandlungen und unterstützen diese Anstrengungen nach Kräften. Wir liefern nicht selbst aus, wir geben Direktbestellungen ans örtliche Sortiment weiter. Wir wagen zu hoffen, dass die Frühjahrsnovitäten nicht in allzu grosser Zahl remittiert werden, denn das wäre fatal. Für meine Kreativität brauche ich den direkten Kontakt mit dem Team. Daran wird sich nichts ändern. Für die Kommunikation nach aussen können wir jetzt aber sicher Erfahrungen sammeln und Beziehungsnetze aufbauen, die danach noch wertvoll sind.

Gaby Ferndriger, Verlage der Lesestoff-Gruppe: Der Lockdown betrifft uns als Verlag möglicherweise noch härter als den Buchhandel, denn die Umsätze brechen ein, doch wir können nur bedingt von Kurzarbeit profitieren, weil wir mit Hochdruck am Herbstprogramm arbeiten. Wenn die ganze Buchbranche einen langfristigen Schaden davonträgt, wird es für die Schweizer Verlage noch schwieriger. Wir hoffen auf die Solidarität des Handels. Doch wir schauen noch vorne und zeigen dies u.a. mit einem kreativen "Schnellschuss": Mit "Notvorrat – auch im Notfall immer ein Stück Papier zur Hand" füllen wir eine Nische im Humorsektor. Wenn schon hamstern, dann bitte Bücher. Mit dem Notizbuch im Design von WC-Papier treffen wir hoffentlich den Nerv der Zeit.

Herwig Bitsche, NordSüd Verlag: Wir arbeiten alle mit mehr als 100% im Homeoffice. Keine Kurzarbeit daher bislang. Es fehlt uns ja nicht an Arbeit, sondern vor allem an Umsatz. Das Frühjahrsprogramm wird sicher unter der Krise arg leiden. Wir bauen auf unsere starke Backlist und ein verkleinertes, konzentriertes Herbstprogramm. Besonders gross ist die Nachfrage nach kostenlosen und unterhaltsamen Vorlesegeschichten. Über 40 Künstlerinnen und Künstler haben uns für unsere Corona-Seite Beiträge geschickt. Viele Abläufe und Gewohnheiten stehen derzeit auf dem Prüfstand. Da werden wir einige Lehren aus der Krise ziehen. Meine persönlichen Helden der Krise sind die Buchhändlerinnen und Buchhändler, die es verstehen, mit viel mehr Einsatz die Umsatzausfälle in Grenzen zu halten. Da ist ein richtiger Innovationsschub zu erkennen.

René Busse, Leitung Vertrieb Orell Füssli Verlage: Der Verlag hat sich sehr gut im Home Office organisiert. Bis auf wenige Titel sind alle unsere Frühjahrsnovitäten bereits produziert bzw. ausgeliefert worden. Das Streichen der diversen Buchvernissagen und Lesereisen trifft uns aber hart. Das Verschieben von Erscheinungsterminen ist aktuell kein Thema. Eine zusätzliche Flut von Neuerscheinungen im Herbst würde uns und dem Handel auch keinen Gefallen tun. Was uns aber am heftigsten trifft, sind die Reduktionen und Stornierungen von Bestellungen unserer Frühjahrsnovitäten sowie natürlich der fehlende Verkauf durch den stationären Buchhandel. Deren Auswirkungen sind in ihrer Gesamtheit jetzt noch gar nicht absehbar. Ich glaube nicht, dass sich unsere Abläufe gross ändern werden. Wir alle haben aber sicher feststellen können, dass Dinge, die bislang für unmöglich gehalten wurden, auf einmal doch möglich sind.

Anne Rüffer, rüffer & rub: Wir haben schon letztes Jahr Gespräch-Videos mit AutorInnen gedreht, die wir nun unter "Einsichten & Klartext" jeden Montag auf YouTube und unserer Webseite aufschalten. Die zahlreichen positiven Reaktionen und Bestellungen ermutigen uns sehr. Eine weitere Massnahme betrifft die Emailing-Serie "Mutmacher": Viele unserer Titel beschäftigen sich mit Menschen, die sich mit grossem Engagement einer Sache annehmen, die teilweise gar ihr Leben für andere riskierten – wie der Verleger Emil Oprecht, dessen Biografie im Januar bei uns erschienen ist. Solche Bücher beweisen: Man kann vieles schaffen. Veranstaltungen wurden abgesagt und werden kaum nachgeholt werden können – da darf man sich keinen Illusionen hingeben. Das Buch "Wie ich behandelt werden will" über die Wichtigkeit einer Patientenverfügung haben wir vorgezogen, und ab 20. April stellen wir die Situation "Lungenentzündung" (der "COVID"-Fall) aus dem Buch kostenlos auf unserer Webseite zur Verfügung.

Thomas Kramer, Verlag Scheidegger & Spiess und Park Books: Der Umsatz im deutschen Sprachraum ist auf vielleicht 20 % zurückgegangen, ausserhalb Europas liegt er bei Null. Natürlich wäre es elementar, dass er bald wieder in die gewohnten Höhen käme. Trotz dem Einbruch halten wir aber an unseren Plänen fest und arbeiten mit Hochdruck am wie immer reichhaltigen Herbstprogramm. Die meisten unserer Mitarbeitenden tun dies von Zuhause aus, nur ein kleiner Kern trifft sich jeweils, à distance, im Verlag. Weil sich keine Veranstaltungen, kaum Pressearbeit und nur limitiert Vertriebstätigkeiten aufgleisen lassen, wird daran nur eingeschränkt gearbeitet. Für Rückschlüsse, was sich langfristig ändern könnte, ist es zu früh: Unsere Nischen erfordern ohnehin eine permanente Anpassung an sich wandelnde Gegebenheiten.

Gabriella Baumann-von Arx, Wörterseh Verlag: Wir haben Homeoffice eingeführt und schauen, dass jeweils nur eine Person im Verlag arbeitet. Zudem haben wir sofort eine E-Book Aktion lanciert. Ein aktuelles Buch rund um die Eishockey-WM, die im Mai in der Schweiz hätte stattfinden sollen, mussten wir schweren Herzens auf Eis legen. Die anderen Titel des Frühjahrsprogramms haben wir auf den Herbst verlegt, was relativ einfach war, da wir die Programmvorschauen glücklicherweise noch nicht verschickt hatten. Ein Glücksfall ist, dass wir (zusammen mit der Blick-Gruppe) das Büchlein "Corona – Das Virus für Kinder erklärt" realisieren konnten, das den Kleinen das Virus auf pfiffige Art und Weise erklärt. Es wird nächste Woche angeliefert und ist auch als E-Book erhältlich. Ob wir die Ausfälle im Herbst kompensieren können, steht in den Sternen.

Weitere Themen:

1. Branchenmonitor Buch / Sonderauswertung
1. Sortiment mit starkem Minus im März / E-Book Markt zeigt kräftiges Wachstum

2. COVID-Wirtschaftshilfe
2. Überbrückungskredit

3. COVID-Verordnung Kultur
3. Ausfallentschädigung

4. Vereinigung des katholischen Buchhandels
4. Solidaritätsbeitrag an ihre Mitglieder

6. Eine Frage an ...
6. Andrew Rushton, NordSüd Verlag

7. Aadorf
7. Büecher-Chorb schliesst am 31. August

8. Books / Buchhaus / Ex Libris
8. Buch-Onlinehandel stark angestiegen

9. Pro Helvetia
9. Lockdown: Neue Kunstformate

10. JIM Studie 2019
10. Jugendliche lesen weniger Bücher

11. SBVV-Kurse online
11. Neue Lernformen für neue Zeiten

12. In eigener Sache ...
12. ... heute erscheint das neue Heft

13. Österreich
13. Über der Grenze öffnen die Buchläden bald

14. Diverse Meldungen
14. Susanne Wille wird Kulturchefin SRF // Bologna online // Mehr Zeitungsabos // 20 Jahre Literaturhaus Basel // Ostern at Home // HarperCollins kauft Schneiderbuch

15. SRF Bücherliste 9. - 16. April 2020
15. 

16. Sag’s mit einem Buch
16. 

Die Verlegerinnen und Verleger suchen im Internet nach
neuen Wegen, um Ihre Frühlingstitel ins Gespräch zu bringen.
Hier Lenos-Verleger Tom Forrer im Home-Office.
(Foto: privat)

Inzwischen ebenfalls Alltag für viele Verlage:
Sitzungen von zu Hause aus. Hier ein Teil des hep-Teams
an einer Besprechung. (Foto: hep Verlag)

Top